Abendlied 14


"nun schlaf, mein Kind, schlaf ein"

Liebe Familie, liebe Freundinnen, liebe Freunde,
es ist ein ungewöhnliches Abendlied, das ich Euch heute vorstelle: "Nun schlaf, mein Kind, schlaf ein".
Wenn man es anhört, könnte man meinen, ein Werk von Bela Bartók zu hören.
Ich freue mich sehr, dass ich Euch heute mit diesem Abendlied ein besonderes Rundfunk-Ehepaar aus meiner Kindheit vorstellen kann, von dem ich gar nicht allzu viel weiß, aber an das ich mich gut erinnere: Lydia Feil, die später Meissner-Feil hieß und Werner Meissner.
"Feilchen" wie sie von unserem Chorleiter und den anderen Mitarbeitern liebevoll genannt wurde, war seit 1959 Leiterin des Kinderfunks beim Süddeutschen Rundfunk.
Mit dem Kinderchor waren wir ja immer in der Villa Berg und die Kinderfunk-Kinder, die die Hörspiele aufnahmen, waren in der Neckarstraße 145 am Stöckach, in dem Gebäude des ehemaligen Telegraphenamts, dem markanten Gebäude im Bauhausstil, in dem seit einigen Jahren die Staatsanwaltschaft untergebracht ist. Ich habe mich immer gefreut, wenn ich bei einem der Hörspiele mitmachen durfte, ob singend oder sprechend. Daher kann ich mich auch noch gut an die Räume in dem Gebäude und die Menschen erinnern.
Der SDR-Kinderchor war ja schon 1946 gegründet worden und im Kinderfunk sprach der Gute-Nacht-Lied-Onkel Curt Elwenspoeck kurze Geschichten ein, die täglich kurz vor sieben jeweils vor dem Abendlied gesendet wurden. Da gab es dann die "Funk-Kinder" - Mädchen und Buben in unserem Alter, die besonders gut sprechen konnten. Teilweise waren es auch Kinder von Rundfunkmitarbeitenden. Der Star unter diesen Kindern war Elfie - Elfie Heilig -,die eine besonders helle, im Ohr haftende Stimme hatte - ich würde diese Stimme auch heute noch unter Tausenden herauskennen.
Die amerikanischen Rundfunk-Kontrolloffiziere nahmen ihre Aufgaben in Stuttgart offenbar so ernst, dass sie sogar die Märchen der Gebrüder Grimm 1946 noch zensierten, damit deutsche Kinder nicht (wieder) zu Grausamkeiten erzogen werden. Hörspiele, Abenteuergeschichten und Reportagen wurden entwickelt, Kinder als Reporter und Interviewpartner stellten die jungen Zuhörer in den Mittelpunkt - eine dankbare Zielgruppe, die sich vermutlich bis heute an manche der Sendungen erinnert, wie zum Beispiel den Räuber Hotzenplotz von Otfried Preußler, der am 12.2.1963 gesendet wurde mit Walter Schultheiß als Wachtmeister Dimpfelmoser, Rose-Renée Roth als Großmutter und Elfie Heilig als Unke und Fee Amaryllis.
Als Lydia Feil 1946 als Sekretärin beim Kinderfunk von Radio Stuttgart anfängt, wird dieser zunächst von Ilse Ehmer und ab 1955 von Orla Maria Fels, der späteren ersten "Frauenbeauftragten" des Landes geleitet. Lydia Meissner-Feil war dann Kinderfunkchefin von 1959 - 1985. Von ihr habe ich viel gelernt über das Ernstnehmen von Kindern und dass es sich lohnt, ihnen zuzuhören.
Werner Meissner habe ich nicht mehr genau in Erinnerung. Er dirigierte das Rundfunk-Orchester in Baden-Baden - damals leistete sich der Südfunk noch einige wunderbare Ensembles, die dann 1972 in einer Reform abgeschafft und eingespart wurden - so auch das Erwin-Lehn-Tanzochester. Wir bekamen immer wieder Lieder, die Werner Meissner für bestimmte Produktionen geschrieben hatte. Die Texte dazu stammten zumeist vom "Feilchen" - wie das heutige Abendlied.
Ich freue mich, dass ich noch das Original-Notenblatt von damals habe. Vermutlich ist es die Handschrift von Werner Meissner.
Leider weiß ich nichts vom weiteren Leben  der Beiden, die den Kindern so viele Lieder und Geschichten geschenkt haben.
Zu meinem großen Bedauern befinden sich die "Archivschätze" auch nicht in einem öffentlichen Archiv, sondern höchstens noch in dem des SWR, der zwar öffentlich-rechtlich ist, aber zu dessen Archiv für den Außenstehenden kein Zugang möglich ist.

 

Ich weiß gar nicht, ob sie selbst Kinder hatten, für die diese Zeilen vielleicht auch gedacht waren:
Nun schlaf, mein Kind, schlaf ein -
der Mond, der gute Hirt,
er wird am Himmel sein,
wenn´s draußen dunkel wird.
Ein Sternlein steht für dich
im weiten Himmelsraum,
es schickt dir sicherlich
den allerschönsten Traum.
Der Mond hält für dich Wacht
fern grüßt das Sternelein,
sie wünschen dir gut´Nacht,
drum schlaf mein Kind, schlaf ein.
Unser Chorleiter Paul Holstein hat dieses Lied - wie so manche - mit der Celesta begleitet, die immer extra auf die Bühne des Sendesaals gebracht wurde und die wir gerne hörten, weil sie wie ein zartes Glockenspiel klang.
Mögen die Celesta und die Kinderstimmen Euch heute in einen wohlbehüteten Schlaf geleiten, mögen Euer Sternlein Euch den allerschönsten Traum schicken, der Mond für Euch Wache halten und Ihr angenehm schlafen...