Adventsabendlied 5: "Klopf, klopf, klopf"


Wann kommt eigentlich der Nikolaus?

 

An vielen Orten kommt er morgen, am 6. Dezember, aber an manchen Orten – wie in Bayern wo mei liabs Brüderle wohnt – kommt er schon heute Abend. In altkirchlicher und jüdischer Vorstellung beginnt der Tag mit dem Sonnenuntergang – wie der Heilige Abend.

 

Es kann also nicht schaden, heute Abend die Schuhe vor die Tür zu stellen  - oder gar die Stiefel. Wenn  sie dann morgen früh weg sind, konnte ein armer Mensch sie wohl brauchen. Wenn Ihr Glück habt, findet sich darin „Apfel, Nuss und Mandelkern“, bei manchem vielleicht auch Schokolade,  eine Mandarine oder Orange oder die schokoladene Nachbildung des Bischofs von Myra – meist ohne Stab, aber mit Sack und Rute.

 

Da sind also seit alters her weißbärtige Männer blau- oder rot- pelzbemäntelt unterwegs, die „guten Kindern“ gute Gaben bringen und die nicht als solche erachteten Kinder strafen. Das hat sich natürlich im Laufe der Jahrhunderte der milderen Pädagogik angepasst – außer in den Landstrichen, man auch in der Fastnacht noch die keltisch-heidnischen Bräuche pflegt, da ist das Pelzen - also das Prügeln - noch an der Reihe.  Seit der reformierten Zeit kommt mit dem „Weihnachtsmann“ bisweilen auch ein zartes weibliches Geschöpf – das „Christkind“ – ein engelsgleiches, unsichtbares Geschöpf, das nicht mit dem Jesuskind verwechselt werden sollte.

 

Mit dem heutigen Adventsabendlied „Klopf, klopf, klopf, wer klopft an unsrer Türe an“ hat der Musikpädagoge Alexander Dorn ein der Pädagogik seiner Zeit entsprechendes Kinderlied geschrieben – lautmalend, spannungsaufbauend und auf keinen Fall erschreckend für die Kinderlein. Gastfreundschaft lernen sie und dass alle Kinder Gaben bekommen sollen und dass alle Kinder hier gut sind. Eine positive Pädagogik ist das und das sollte mir doch eigentlich als Pädagogin gefallen.

 

Ja, für die Kinder wünsche ich mir das Gute und nicht die Rute.

Aber in dieser Zeit geht manchmal mit mir die Phantasie durch und ich wünschte die Rute der Pelzmärtel für manchen der Großen. Ich wagte das kaum zu denken, aber die 94-jährige Überlebende, für die jeder Tag eine schlimme Qual ist, seit sie Auschwitz überlebt hat, wo mehr als 30 ihrer Angehörigen ermordet wurden, wo sie die Hölle und ihre Satane täglich gesehen und gespürt hat. Sie, die mit unvorstellbaren körperlichen und seelischen Leiden lebt, sie spricht das täglich aus, dass man … in einen Sack stecken müsste und dann draufreinprügeln bis sie nicht mehr können oder bis sie begreifen. Mich schauert jedes Mal, wenn Sie das bei einem der Politiker, der Verantwortlichen oder vielmehr Unverantwortlichen, der Denhalsnichtvollkriegenden und den Profiteuren des Elends sagt und bisweilen rufe ich sie sogar zur Ordnung – dabei sind wir ja nicht im Bundestag. Und ich staune über die Energie, mit der die tiefgläubige Frau über die Prügel redet.

 

Das Prügeln ist eine heikle Sache für mich, das kenne ich und ich vergesse keinen unserer Teppichklopfer. Da habe ich nichts gelernt. Das kann nicht der richtige Ansatz sein. .....

 

Vielleicht hatten gute Menschen in den USA auch heimlich-unheimliche Phantasien in den letzten Jahren, Wochen und Tagen, doch ihre gute Erziehung und ihr Glaube an das Gute verbietet Böses und hofft auf die Einsicht.

 

Ja, Kant war eine Erleuchtung für mich und ich habe geglaubt, dass die Menschheit sich stetig entwickelt und ich daran mitwirken kann. 

Und jetzt bin ich zornig, wütend und enttäuscht. „Wutbürger“ ist kein passendes Wort dafür. Meine  Wut, mein Zorn, mein Ärger ist berechtigt und wichtig und ich weiß, dass zu einem solch heißherzigen Gefühl der Verstand und ein hoffnungsvolles Ziel hinzukommen müssen, um Sinnvolles zu bewirken.

 

Dass ich nicht die ganze Welt retten kann und das auch nicht muss, sagen mir nicht nur immer wieder Menschen in meiner Umgebung – ich habe das verstanden.

 

Aber dass ich – wie es so viele liebe, gute Menschen tun - im Kleinen etwas Gutes bewirken kann, bei Einzelnen, mit Einzelnen oder mehreren, das weiß ich und auch dass vieles Kleine zu einem großen Ganzen beiträgt, wenn man mutig und zäh ist, wie auch der Nikolaus von Myra es gewesen sein  soll, wenn man die Legenden seiner guten Taten liest.

 

Wenn ich allen guten, ehrlichen, wahrhaftigen und mutigen Menschen, die ich kenne, eine Weihnachtskarte schicken wollte, müsste ich wohl das ganz Jahr schreiben oder mehr. Geht es Euch nicht ebenso? Das ist doch wunderbar. Ich kenne niemanden der 10% Reichsten, die zusammen 85% des Weltvermögens besitzen und von den 50%, die zusammen nur 1 % besitzen, kenne ich weniger als ich Finger an der Hand habe. Aber ich weiß, dass es sie gibt und dass das weder gerecht noch verdient ist.

 

Mein Gerechtigkeitsgefühl lässt mich nicht in Ruhe. Das Nachdenken über meine eigenen Handlungen, über meine Beziehung zu den Menschen und zur Welt lässt mich meine Wut kultivieren, den Verstand nutzen und den Austausch mit Gleichgesinnten suchen. Weil das nicht immer lustig ist, spüre ich bei den Phantasien einer Überlebenden dann doch Erleichterung in meinem unwillkürlichen Lachen.

 

Es ist keine vermessene Phantasie, dass jedes Kind Apfel, Nuss und Mandelkern haben sollte und satt sein könnte an jedem Tag, weil die Erde genug hat für alle Menschen. Stattdessen verhungert in der Welt alle zehn Sekunden ein Kind unter fünf Jahren, 690 Millionen Menschen hungern und zwei Milliarden Menschen leiden an Mangelernährung. 

 

Wir haben das Glück, dass unser Teller immer voll ist und das Dach über unserem Kopf dicht. Was soll ich Euch heute Abend wünschen für die Nacht?

Ich wünsche Euch eine gute Nachtruhe, die Euch stärkt, ohne sorgenvolle Gedanken, dafür  mit schönen, phantasievollen Träumen.  ...