Adventsabendlied 10: "Nahe bei Ochs und Eselein"

Im heutigen Lied „Nahe bei Ochs und Eselein“, das Ihr in der Version des SDR Kinderchors mit Franz Fischer als Solisten hört, schweben 1000 Cherubine und 1000 Seraphine um jubelnd das „großer Liebesgott“ genannte Jesukind.

 

Das heilige Kind und seine Eltern, sowie die beiden Tiere werden es verzeihen, dass meine Gedanken sich den 2000 jubelnden und schwebenden Wesen zuwenden.

Als Kind habe ich sie mir immer als eine Schar von geflügelten Wesen vorgestellt – Schutzengeln gleich. Der Esoterik bin ich nie verfallen, die Engeln eine sehr mystische Bedeutung zumessen. Die Ethymologie liegt mir näher, weil wir da durch die Wortherkunft etwas aus der Vergangenheit erfahren, das uns heute beim Verstehen helfen kann. Da zeigt es sich, dass es sich bei Engeln um Boten handeln soll, die Wort und Wirken Gottes Wort den Menschen überbringen.

Da sind wir plötzlich ganz dicht dran am Kern des Glaubens an Gott oder überhaupt an eine überirdische Macht.

Nahezu alle Religionen – auch die, in die nicht von einem Schöpfergott ausgehen, berichten von Engelwesen.

Im Christentum, im Judentum, im Islam, bei den Jesiden, im persischen Zarathustraglauben, selbst im Buddhismus wirken Engelwesen. Cherubime und Seraphine sind also nicht nur zwischen Himmel und Erde verbindende Boten, sondern auch Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen.

Selbst Menschen, die nicht an Gott glauben, sagen „Da habe ich einen Schutzengel gehabt“ oder schenken einander kleine symbolische Schutzengel, die bisweilen fast glitzernden Schönheitsköniginnen gleichen. So schön stellen sich auch Menschen, die nicht glauben können, die Verbindung zu dem ihnen Unerklärlichen vor. Und mit den Worten „Du bist ein Engel“ wird das Wunderbare ganz profan ins Irdische gezogen.

Die Zuschreibungen für Engelwesen wandeln sich im Laufe der Zeiten immer wieder, es kommen gut Handelnde und gefährlich-rebellische Böse vor, deren Sturz Maler wie Rubens oder Chagall bildhaft dargestellt haben.

Als „Heerscharen Gottes“ zeigen sie ihr kriegerisches Gesicht. . In entsetzlicher Weise besteht bei muslimischen Attentätern die Erwartung von „reichlich“ – im Koran sind keine 72 „Huris“ beziffert - engelgleichen Jungfrauen, die den sich als Märtyrer verstehenden Mörder erwarten.

Nicht Gott, sondern die Renaissancekünstler haben den Engeln Flügel gegeben - im Alten Testament trugen noch gar keine. Bei der mittelalterlich-hierarchische Strukturvorstellung des Himmels mit „9 Chören der Engel“ stehen die Seraphim und die Cherubim in der 1. Stufe und damit weit über den Engeln, die sich mit den Erzengeln und Fürsten die dritte Stufe teilen.

Wie sehen die denn nun aus und worin unterscheiden sie sich, die Cherubim und die Seraphim?

Von den Serafim lesen wir in der Bibel nur bei Jesaja 6 als er seine Berufung schildert:  

In dem Jahr, als der König Usija starb, sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron und sein Saum füllte den Tempel. Serafim standen über ihm; ein jeder hatte sechs Flügel: Mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre Füße und mit zweien flogen sie. Und einer rief zum andern und sprach: Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll! Und die Schwellen bebten von der Stimme ihres Rufens und das Haus ward voll Rauch. Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn ich habe den König, den Herrn Zebaoth, gesehen mit meinen Augen. Da flog einer der Serafim zu mir und hatte eine glühende Kohle in der Hand, die er mit der Zange vom Altar nahm, und rührte meinen Mund an und sprach: Siehe, hiermit sind deine Lippen berührt, dass deine Schuld von dir genommen werde und deine Sünde gesühnt sei. Und ich hörte die Stimme des Herrn, wie er sprach: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich! Und er sprach: Geh hin und sprich zu diesem Volk: Höret und verstehet's nicht; sehet und merket's nicht! Verfette das Herz dieses Volks und ihre Ohren verschließe und ihre Augen verklebe, dass sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren Ohren noch verstehen mit ihrem Herzen und sich nicht bekehren und genesen. Ich aber sprach: Herr, wie lange? Er sprach: Bis die Städte wüst werden, ohne Einwohner, und die Häuser ohne Menschen und das Feld ganz wüst daliegt. Denn der Herr wird die Menschen weit wegführen, sodass das Land sehr verlassen sein wird. Auch wenn nur der zehnte Teil darin bleibt, so wird es abermals kahl gefressen werden, doch wie bei einer Terebinthe oder Eiche, von denen beim Fällen noch ein Stumpf bleibt. Ein heiliger Same wird solcher Stumpf sein.

Die in den Erzählungen meist mit zwei Flügeln dargestellten Cherubim kommen in der Bibel mehrfach als Verkörperung der richterlichen Autorität Gottes vor: sie bewachen den Weg zum Baum des Lebens, richten Sünder*innen, handeln wie Wächter oder Soldaten. Im kirchlichen Weihnachtslied „Lobt Gott, Ihr Christen“ schließt Gott seinen Himmel auf, öffnet die Tür zum Paradies mit der Geburt seines Sohnes und „Der Cherub steht nicht mehr dafür (davor)“.  

 

„Tausend Cherubime, tausend Seraphime“ im Stall zu Bethlehem über dem Kindlein fliegend, widersprach immer meiner Vorstellung der Armut und Einfachheit der Christgeburt. Gar nicht von dem Lärm der mindestens viertausend Flügelpaare – oder hört man die nicht beim Schweben? Meine Engelvorstellung ist da offenbar eher nüchtern, auch wenn mir im Leben schon wunderbare Dinge geschehen sind, die ich mir nicht erklären konnte.

Menschlich ist es auf jeden Fall, dass man sich auch eine Vorstellung machen möchte von dem, was sich nicht oder nur schwer vorstellen lässt – das Glauben ohne ein Bild – zumindest eines im Kopf – ist schwer. Da geht es uns nicht anders wie vielen Künstlern wie Marc Chagall, die vielfach Cherubime, Seraphime und andere Engel verbildlicht haben.

 

Wie ich auch, habt Ihr vielleicht in der Schule neben der deutschen Version des Liedes auch die Französische gelernt. Als Fan singender Finnen möchte ich Euch die Version der Gruppe Rastkasta Joula (Metal-Weihnacht) nicht vorenthalten – Ihr findet unten einen Link, wie auch zu dem Cherubinischen Lobgesang des - leider in diesem Jahr gestorbenen - Komponisten Krysztof Penderecki, das ich zu gerne einmal mitsingen würde, in altkirchenslawischer Sprache.  

 

Gerne singe das sehr alte, eingängige Weihnachtslied in allen möglichen Sprachen, und träume gerne von guten Wesen und einer gerechten Welt.

Alles Liebe ...