Adventsabendlied 14: "Am Weihnachtsbaum, die Lichter brennen"


Erst in 10 Tagen ist Heilig Abend und heute schon das Adventsabendlied „Am Weihnachtsbaum die Lichter brennen“?

 

Das erinnert mich an die Diskussion mit einer Kollegin in der Schule, die partout durchsetzen wollte, dass Kinder erst am Heilig Abend zu Hause den „Christbaum“ zu sehen bekommen und daher in der Schule nur ein Adventskranz aufgestellt oder aufgehängt werden dürfte. Sie wollte das just in dem Jahr durchsetzen, da wir eine Comenius-Partnerschaft mit Schulen aus 4 Ländern begonnen hatten und das im Projekt beschriebene erste Ziel war der Austausch von selbstgebastelten Weihnachtsbaumanhängern.

Es folgten also spannende Diskussionen zunächst unter den Religionslehrkräften, dann allgemein im Kollegium und mit mir als Schulleitung und einem weiteren Kreis nach außen. Wie viele Menschen der Schulgemeinschaft der fast 650 Kinder samt Eltern, der 52 Lehrkräfte und weiteren pädagogischen und hauswirtschaftlichen Mitarbeitenden daran auch mitdiskutierten, vermag ich nicht mehr zu sagen. Die Demokratie feierte fröhlich-vorweihnachtliche Urstände und kam zum Schluss: Im Foyer jedes Schulhauses wird ein Baum stehen, an dem die guten Gaben aus den Partnerschulen hängen. Das morgendliche Adventslied jedoch singen und feiern die Grundschulklassen reihum immer mit 4 Klassen unter dem riesigen, vom Hausmeister aufgehangenen Adventskranz, dessen echtes Kerzenlicht anschließend jeweils eine verantwortliche Lehrerin zu löschen hatte.

 

In vielen Städten, öffentlichen Gebäuden, Firmen, Geschäften und Büros scheint „der Baum“ wie er oft kurz genannt wird - keine solch diskussionswürdige Angelegenheit zu sein. Da wird er oft frühstmöglich aufgestellt, damit die künstlichen Kerzen und viel „BlingBling“ für eine weiche Stimmung sorgen bei denen, die ihr Portemonnaie aufmachen sollen.

Und wo überall die Weihnachtsbäume stehen und wie wichtig sie ihn nehmen. Sogar das Steckerreinstecken des von mir so scheußlich kitschig empfundenen, die Tanne kaum mehr erahnen lassender, Energie verschwendender Lichtverschmutzer vor dem Weißen Haus mussten der amerikanische Nero und sein persönlicher Rauschgoldengel noch öffentlich zelebrieren. Ihr merkt: I´m not amused.

 

Wie unterschiedlich sind auch die Weihnachtsbäume in den Familien. Wenn Ihr beim Adventsabendlied Nr. 6 unser Familienweihnachtsfoto aus dem Jahr 1965 anschaut, seht Ihr eine stachelige Tanne mit weit auseinanderliegenden Zweigen, die mit viel Lametta und wenigen Strohsternen und ein paar Schokoladenkugeln behangen sind, von denen sich der Gewinner beim Spiel eine abschneiden dufte. Je weiter das Fest vorangeschritten war, je mehr musste man die in der Heizungsluft rasch dürrenden Zweige im Auge behalten – dass nur der Baum nicht brennt! Sobald der Besuch weg war, hieß es: „Der Baum wird nicht mehr angezündet!“ Dabei haben wir nie den Baum angezündet, sondern nur die Wachskerzen. Die silberfarbenen Kerzenhalter habe ich als Relikt aufbewahrt.

 

Ich dachte immer, dass es magere Zeiten waren und wir daher einen mageren Baum hatten und ich nahm mir vor, in meinen besseren Zeiten, einen dichten Tannenbaum mit weichen Nadeln reich und in traditionellen Farben zu schmücken.

 

Während meine Mutter immer wieder die Farben der Kugeln und des Lamettas wechselte – „Dieses Jahr ist unser Baum silber-violett“ -  muss mein Weihnachtsbaum immer so sein wie ich ihn mir schon als Kind vorgestellt hatte. Alle roten Kugeln, Kerzen und Bänder und die kleinen Holzfiguren werden übers Jahr sorgfältig aufbewahrt. Jedes Jahr habe ich mir ein – nie mehr als ein – neues Figürchen ausgesucht. Ich mag unseren Weihnachtsbaum sehr und mag es, ihn zu ganz in Ruhe und sorgfältig schmücken, während ich Adventslieder oder eine Weihnachtsmusik höre. Üblicherweise am Abend des 23. Dezember. Als ich mit Schulklassen im Winterwaldschulheim war, brachte ich aus dem Schwarzwald eine selbstgeschlagene, kleine Nordmanntanne mit. Mit einem Baum im Topf wollten wir in einem Jahr unsere Nachhaltigkeit beweisen, doch als wir ihn im Januar in den Garten pflanzen wollten, zeigte sich, dass sich in dem Topf ein rüde maschinell abgeschnittener Stumpf befand, der durch das Gemetzel keine Verbindung mit dem Erdreich mehr eingehen konnte.

 

Die herrlichen Blaufichten in unserem Gartenparadieschen haben nie Weihnachtsschmuck gesehen, denn den brauchen sie nicht mit all ihrer Naturschönheit. Um diese wunderschönen, alten, hohen Bäume, die in den letzten Jahren so schrecklich unter der Trockenheit des Klimawandels gelitten haben, dass sie krank wurden, könnte ich weinen. Weithin sieht man sie an der Wangener Höhe stehe und ich hoffe, sie können dort noch lange stehen und die Spaziergänger erfreuen.

 

Ob wohl in diesem Jahr das schnapsvolle „Weihnachtsbaumloben“ bei meiner Schwägerin auf der Alb und ihrer Nachbarschaft ausfällt?  

 

Bei meinem Schwiegervater hatte ich Weihnachten 1983 erstmals einen zusammenklappbaren Kunststoffweihnachtsbaum mit aufgelegten Wattebäuschchen, aber gebügeltem, immer wiederverwendeten Lametta kennengelernt – unglaublich.  

 

Die starke Symbolkraft, die ein Weihnachtsbaum ausstrahlt, werden wir dieses Jahr bewusst nutzen und ihn früher ausstellen und jeden Tag genießen, im besinnlichen Kerzenlicht „einen Gang herunterzuschalten“ und uns auf das besinnen, was uns wichtig und wesentlich ist im Leben.

Ihr gehört alle zu dem was uns wichtig und wesentlich ist und zu jedem von Euch wandern die Gedanken auch an jedem Adventstag, an dem ich an Euch schreibe. Ich weiß nicht, wie Eure Weihnachtsbäume aussehen – falls es welche in Euren Stuben gibt – ich stelle sie mir auch nicht vor, aber ich denke mir, dass Ihr eine weihnachtliche Freude daran habt, das ist das Wichtigste.

„Als spräch´ er: „Wollt in mir erkennen getreuer Hoffnung stilles Bild“ heißt es in dem 1841 von Hermann Kletke veröffentlichten Gedicht, unserem heutigen Adventsabendliedtext.

 

Ihr könnt Euch denken, dass ich mich bei meiner ehrenamtlichen, historisch-politischen Forschungsarbeit auch mit dem Weihnachten in schlimmen Zeiten befasse und dass es mir wichtig ist, welche Weihnachten die Menschen damals hatten und wie es ihnen in friedvolleren Zeiten mit den Feiertagen und ihren Symbolen ging oder immer noch geht und dass ich viel dafür geben möchte, dass die Überlebenden den weihnachtlichen Hoffnungsschimmer des grünen Baumes spüren können. Davon soll aber in den heutigen Adventsabendliedgedanken nicht die Rede sein.

 

Bei uns wird es in diesem Jahr ein ruhiges Weihnachten und das ist gut so, das passt zu Weihnachten. Die Kraft, die wir da sammeln, wird uns helfen gut durch den Winter zu kommen und Inspiration zu finden für die Pflege der familiären und freundschaftlichen Verbindungen auf neuen Wegen und für hilfreiche Gedanken, zu denen auch Taten gehören, an die Menschen, denen es nicht so gut geht wie uns und davon gibt es so viele.

 

Ich wünsche Euch allen, dass jede Kerze an einem Weihnachtsbaum, den Ihr seht, Euch als Hoffnungslicht erscheint für eine kommende Zeit der Zuversicht, der Heilung, der Menschlichkeit und des Friedens.  ...