Adventsabendlied 20: "Uf´m Berge, do gehet der Wind"


heute hören wir das alte, schlesische Weihnachtslied „Uf´m Berge do wehet der Wind“.

Vermutlich habe ich das Lied für heute ausgewählt, weil unsere Kinder auch ins Gebirge unterwegs sind – nicht nach Schlesien, aber ins Zittauer Gebirge, wo der Böhmische Wind manchmal kalt herüberweht und wo es noch herrlich sternenklare Nächte gibt, wo einem der Himmel näher zu sein scheint.

Beliebt ist das Lied bei Krippenspielen, weil es so plastisch im Dur-Moll-Wechsel eine zarte Mutter Maria zeigt, die ihr Kindlein wiegt und einen brummig-alten Josef, der unwillig erscheint, weil es ihm selbst nicht gut geht bei der Kälte.

Verständlich, dass  die meisten Mädchen in meiner Kindheit die Maria spielen wollten. Da aber der Josef die interessantere Melodie hat mit der Mollvariante und das Poltern auch Spaß macht, fanden sich immer auch weibliche Josefs.

Auch 2000 Jahre später - in unsere Kindheit - wäre es unseren Vätern nicht eingefallen, das Kindlein zu wiegen oder gar zu wickeln. Meiner ging nach den Erzählungen meiner Mutter “Eine rauchen“, wenn es Zeit war, die Windeln zu wechseln. Das ist heute vielfach ganz anders, da unterstützen sich junge Paare gegenseitig mit der Pflege ihres Kindes und gönnen sich beide so viel als möglich der beglückenden Zeit mit ihrem Kind.

Meine Mutter, die meiner Kinderfreundin und viele andere mussten damals mit ihrer Berufstätigkeit zum Lebensunterhalt beitragen. Sechs Wochen vor und sechs Wochen nach der Geburt durften sie bei vollem Gehalt der Arbeit fernbleiben, doch dann musste das Kind anderweitig betreut werden. Wohin mit dem Kind tagsüber, wenn die Familie 700 oder 800 Kilometer entfernt lebt, also keine Oma .für das Kind da sein kann? Das Kind zur Oma bis zum nächsten Urlaub oder ins Kinderkripple zu den Schwestern – in unserem Fall Diakonissen wie Ihr auf dem anliegenden Bild sehen könnt, das mich mit dem Blumenkranz im Haar zeigt, den mir offenbar eine der Schwestern gebastelt hat. Vielleicht die damalige Lernschwester, mit der ich nach viele Jahren jetzt wieder Kontakt gefunden habe?

Über die damaligen Kinderbetreuung und die üblichen Erziehungsmethoden wird heute noch gesprochen und wo tiefe Narben oder gar Wunden geblieben sind, sogar prozessiert oder auch geschwiegen. Da gäbe es viel zu sagen, aber das soll heute nicht mein Thema sein.

Vielleicht war und ist es für manche Kinder auch ein Glück, dass sich weitere Menschen als die von Arbeit, Armut und unbewältigten Kriegstraumata, über die sie nie sprechen konnten,  überforderten Eltern liebevoll um sie kümmerten und ihnen auch eine kulturelle und eine Herzensbildung nahebrachten, die es sonst vielleicht für sie gar nicht gegeben hätte. Die Was-wäre-wenn-Frage zu stellen ist müßig.

Erwachsene, die sich gewünscht hätten, als kleines Kind viel mehr gemeinsame Zeit mit den Eltern oder den Großeltern zu haben, können das bei ihren Kindern nachholen oder bei den Enkeln.

Zu erleben, dass es Eltern möglich ist, gemeinsam das Aufwachsen und die Kindheit ihres Kindes zu erleben und bewusst und liebevoll miteinander zu gestalten und den Kindern eine starke Basis der Sicherheit mitzugeben, ist ein großes Glück – ein Ideal.

Selbst in der Weihnachtsgeschichte ist das kompliziert. Eine schwangere Frau muss mit ihrem Mann, der sich fragt, wo das Kind herkommt, einen beschwerlichen, gefährlichen Weg auf sich nehmen, um an der vorgeschriebenen Volkszählung der Besatzungsmacht teilzunehmen. Unterkunft und Versorgung sind nicht gesichert und müssen mühsam erbettelt werden. Zurückweisungen begleiten den Weg der Geburt des Kindes und eine ungewisse Zukunft liegt vor der Familie.

Wenn ich mich heute in der Welt umschaue, sollte man nicht meinen, dass mittlerweile mehr als 2000 Jahre vergangen sind. Da sind es nicht nur unwillige Besitzende, die Herbergssuchenden keine Bleibe zu geben bereit sind.

Kara Tepe ist nicht einmal mit dem Stall zu Bethlehem zu vergleichen. Da gibt es kein Stroh, das hindert, dass die matschige Nässe überall durchkommt, vor da gibt es keine Englein, die die Neugeborenen bewachen vor den Ratten, die sie beißen, die kleine Kinder und Frauen vor Vergewaltigung schützen. Lesbos, der Nordirak, der Südsudan und die vielen weiteren Orte der Erde, an denen das Leben so entsetzlich wenig menschenwürdig ist, sind nur scheinbar weit weg.

Ja, es ist schwer, sich immer wieder die Frage zu stellen, warum die Welt so ist wie sie jetzt ist, warum sie nicht besser ist und warum die Menschheit so dumm ist, aber es ist nicht müßig. Wenn wir von einer besseren Welt träumen, uns eine Welt wünschen, in der alle Kinder behütet, sicher und glücklich aufwachsen können, dann ist es unerlässlich, die WARUM-Frage zu stellen und nach Antworten zu suchen. Dann ist es legitim, sich ein WIE-ANDERS vorzustellen und schon mal einen eigenen Schritt voranzugehen - wohlwissend, dass man allein die Welt nicht retten kann. Dann ist es hoffnungsvoll, sich auszutauschen – und dabei helfen uns die modernen Medien wirklich – über unsere Werte und unsere Ziele im Leben.

Ich danke Euch, dass es Euch nicht über ist, meine Abendgedanken zu lesen, auch wenn bei mir immer und immer wieder der Wunsch nach einem guten Leben für alle Menschen und für die Natur durchkommt – nach einer besseren Welt, zu der wir beitragen können. Ich danke Euch für den offenen Austausch, für Eure liebevollen Rückmeldungen und Eure herzliche Freundschaft, die wärmende Hoffnung sind.

....